Recht auf Partizipation von jugendlichen Flüchtlingen!?

Das Recht auf Partizipation von Kindern ist zentral in der UN-Kinderrechtskonvention verankert: Beteiligung ist eines von vier Grundprinzipien und bedeutet, dass Kinder und Jugendliche das Recht auf Partizipation, auf Mitsprache und auf Mitentschei-dung in allen sie betreffenden Angelegenheiten haben. Dieses Prinzip fordert die Achtung der Meinung von Kindern und Jugendlichen ein (KRK Artikel 12).

Wie können jugendliche Flüchtlinge sich beteiligen, von diesem Recht Gebrauch ma-chen? Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die alleine, ohne Elternteil oder einer anderen erwachsenen Person, die normalerweise für die Betreuung des Kindes zuständig ist, nach Österreich kommen. Ca. 1000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stellen pro Jahr einen Asylantrag in Österreich. Nach einem Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum werden sie in eine für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge spezialisierte Einrichtung in einem von sieben Bundesländern transferiert (und das meistens ohne Mitsprache der Jugendlichen).
Das Don Bosco Flüchtlingswerk arbeitet seit dem Jahr 2003 mit unbegleiteten min-derjährigen Flüchtlingen. Im Jugendwohnheim Abraham des Don Bosco Flüchtlings-werks leben 16 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und wir erleben hier tagtäg-lich die Herausforderung, das Recht auf Partizipation in der pädagogischen Praxis umzusetzen. Wie kann das im Alltag ausschauen? Einmal in der Woche treffen sich alle Jugendlichen zum „Meeting“, einem Treffen aller Bewohner gemeinsam mit der Heimleiterin und dem Betreuer im Dienst. Hier können die Jugendlichen ihre Anlie-gen in der Gruppe diskutieren, Regeln hinterfragen, Ausflugsideen einbringen etc. Rund um die Uhr ist für sie auch eine Betreuerin oder ein Betreuer im Haus, zu der / dem sie mit ihren Anliegen kommen können. Die Jugendlichen werden begleitet und motiviert, sich nach dem Deutschkurs eine Ausbildung ihren Interessen entsprechend zu suchen – auch das nicht immer ganz einfach. So wird ein Jugendlicher, der ei-gentlich am liebsten eine Apothekerlehre machen will, nun vielleicht doch in der Tou-rismusbranche eine Ausbildung beginnen. Besonders in der Zeit der Vorbereitung auf den Auszug mit 18 Jahren ist es uns ein Anliegen, die Meinung und den Wunsch der Jugendlichen zu berücksichtigen, in welches Heim sie als nachfolgende Einrich-tung ziehen – auch wenn im Rahmen der Grundversorgung viele Wünsche nicht zu erfüllen sind.

Partizipationsworkshop „Melde dich zu Wort“

Im Juli 2010 wurde erstmals der Partizipationsworkshop „Melde dich zu Wort“ für 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus ganz Österreich durchgeführt. Die Ju-gendlichen trafen sich zu einem zweitägigen Workshop in Wien, um sich über ihre Situation, ihr Leben in Österreich auszutauschen und in Austausch mit relevanten Organisationen wie dem Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen UNHCR und der asylkoordination österreich zu treten. Ein Ziel war es, sie zu motivie-ren, sich selbst zu organisieren und für ihre eigenen Interessen und Rechte einzutre-ten und ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren, das Empowerment der unbe-gleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Initiiert wurde das Treffen von Jean Gatsinzi, der selbst als unbegleiteter minderjähri-ger Flüchtling aus Ruanda nach Österreich gekommen war und Mitglied im europäi-schen Netzwerk „Separated Children in Europe Programme Youth Network“ ist.

Die Jugendlichen diskutierten Themen wie Asylverfahren, Rassismus, Arbeit und Geld, Schule und Ausbildung etc. Die Auswahl der Themen ergab sich aus den An-gaben, die die Jugendlichen bei der Anmeldung zum Workshop gemacht hatten. Da-bei zeigte sich, dass Geld eines der Hauptthemen der Jugendlichen ist, weil sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Betrag kaum auskommen. Alle würden gerne etwas arbeiten, um sich die Finanzen aufzubessern. Die Möglichkeiten dafür sind aber sehr beschränkt.

Zum Thema Asylverfahren berichteten die Jugendlichen, dass das lange Warten auf den Bescheid sie zermürbt. Wie viele Monate, Jahre wird es noch dauern, bis über den Asylantrag entschieden sein wird? Und wie viel Lebenszeit haben die Jugendli-chen dann dadurch verloren, weil sie in dieser Zeit keine Lehre machen dürfen? Das Schlimme für die betroffenen Jugendlichen ist daran die Ungewissheit und das Nichtstun, zu dem sie nach dem Hauptschulabschluss verurteilt sind, wenn sie die Aufnahme an eine höhere Schule nicht bestehen.
Vielen macht es auch zu schaffen, dass sie während des Asylverfahrens nicht in an-dere Länder reisen können, um ihre Familienangehörigen oder Freunde zu treffen und dass sie nicht innerhalb Österreichs umziehen dürfen. Außerdem haben sie das Gefühl, dass die Sachverständigen am Asylgerichtshof ihnen nicht glauben. Deshalb wünschen sich viele, dass es Kontrollen der Verfahren durch UNHCR geben soll. Als Ungerechtigkeit wird eine Abschiebung nach fünf bis zehn Jahren in Österreich emp-funden, vor allem wenn die Jugendlichen sich bemüht haben, sich hier zu integrieren, Deutsch zu lernen und Schulen zu absolvieren. Die Jugendlichen wünschen sich auch mehr Kontakt zu österreichischen Jugendlichen.

Am zweiten Tag des Wochenendes traf sich die gesamte Gruppe zu einer Plenums-diskussion mit Birgit Einzenberger und Annika Bergunde von UNHCR und mit Heinz Fronek von der Asylkoordination. Diese drei Personen stellten ihre Organisationen vor und ermutigten die Jugendlichen in ihrem Engagement und bestärkten sie, sich einzubringen. Die Jugendlichen sollen ihre Anliegen an die Organisationen herantra-gen, die sich dafür einsetzen können, etwas zu verändern: das sind die Betreuungs-einrichtungen, das Jugendamt und eben auch UNHCR und die Asylkoordination Ös-terreich.

Für das Selbstbewusstsein der Jugendlichen war der Austausch wichtig, viele haben uns positives Feedback dazu gegeben und auch berichtet, dass sie stolz darauf wa-ren, sich getraut zu haben am Workshop teilzunehmen. Sie fuhren begeistert wieder nach Hause und die meisten wollen in irgendeiner Art und Weiseweiter aktiv sein und sich beteiligen. Innerhalb kurzer Zeit haben sie Freundschaften gebildet. Besonders überrascht hat, dass bei der Diskussionsrunde mit UNHCR und der Asylkoordination am Sonntag Nachmittag, 50 Jugendliche trotz Hitze und Sprachprobleme sich zwei Stunden lang aufmerksam zuhörten und die Zeit für diese Diskussion eigentlich zu kurz war! Es wurde uns dabei aber auch bewusst, wie wenig die Jugendlichen teil-weise über das Asylverfahren und die Abläufe und ihre Rechte dabei wissen. Die Frage eines jungen Burschen aus Somalia beim Partizipationsworkshop hat mich sehr nachdenklich gestimmt: „Gibt es überhaupt Recht in Österreich?“

Das Recht auf Partizipation ist gerade bei den jugendlichen Flüchtlingen sehr einge-schränkt, vieles wird für sie bestimmt, es wird über sie entschieden und eine der wichtigsten Entscheidungen – ob sie in Österreich bleiben dürfen oder nicht – treffen Beamte des Staats Österreich und das nach jahrelangen Verfahren, da zählt die Meinung des jungen Flüchtlings meistens nicht viel. Es ist zu hoffen, dass das Recht auf Partizipation und Mitentscheidung der Jugendlichen künftig eine größere Rolle spielen wird, nachdem die Kinderrechte nun seit Februar 2011 auch in der österrei-chischen Verfassung festgeschrieben wurde . Und wir arbeiten gemeinsam mit den Jugendlichen daran, ihrer Stimme mehr Gehör zu schenken, so wie sie sich gegen-seitig dazu motivieren: „Melde dich zu Wort!“

Den Bericht über den Partizipationsworkshop finden Sie unter:
www.fluechtlingswerk.at

Auch für Sommer 2011 ist wieder ein Workshop geplant, zur Zeit sind wir noch auf der Suche nach Finanzierung dieses Wochenendes.