Mobbing in der Schule - Was ist das? Wie kann man es erkennen? Welche Interventionen können gesetzt werden?

„Mobbing“ ist ein immer größer werdendes Problem an Schulen; die meisten Anfragen nach Präventions- bzw. Interventionsmöglichkeiten, die an die Fachstelle gerichtet werden, beziehen sich auf dieses Phänomen. Häufig wird auch die Frage gestellt, was denn Mobbing nun wirklich sei bzw. woran man es erkennen könne. Um diese Frage zu beantworten, bedarf es einiger Erläuterungen:

Die größte Schwierigkeit für Betroffene von Mobbing ist, zunächst einmal genau zu beschreiben, was ihnen angetan worden ist, wie lange dieser Zustand schon anhält und was diese Vorgänge bei ihnen bewirkt haben. Da Mobbing häufig keine sichtbaren (körperlichen) Spuren hinterlässt, also keine blauen Flecke, Blutergüsse, zerrissene Kleidung etc., muss das Opfer über Verhaltensweisen von KlassenkameradInnen berichten, die bei ihr/ihm psychisches Leid ausgelöst haben und die zu Ausgrenzung, Angst, Entmutigung, Verzweiflung und Versagen geführt haben. Die zweite Schwierigkeit liegt darin, sich zu trauen, über diese Erlebnisse zu berichten, denn zuzugeben, dass man ausgegrenzt, beschimpft oder lächerlich gemacht wurde, bedeutet immer auch ein Stück Selbstentwertung. Die dritte Schwierigkeit liegt letztendlich darin, Personen zu finden, die die Erzählung ernst nehmen und unterstützend und ermutigend beistehen; denn immer wieder klagen Opfer von Mobbing, dass Menschen, denen sie von ihren Mobbingerfahrungen berichten, diese verharmlosen („geh, so schlimm wird das schon nicht sein, du bildest dir das nur ein“) oder den Tipp geben, sich doch zu wehren („dann sag halt auch was Blödes oder hau einmal kräftig auf den Tisch!“). Damit ist Betroffenen aber nicht geholfen, da sich Mobbing auf der Machtebene zwischen den AkteurInnen abspielt und diese Macht immer ungleich verteilt ist. Die Mobberin/der Mobber ist meistens gruppenintern hierarchisch höher und/oder körperlich stärker und/oder hat mehr UnterstützerInnen als das Opfer. Gegenwehr ist daher ohne Unterstützung von außen für das Opfer unmöglich – vor allem auch deshalb, da es sich der Täterin/dem Täter nicht entziehen kann; in die Schule muss es jeden Tag aufs Neue gehen und dort trifft es auch jeden Tag aufs Neue seine Peinigerin/seinen Peiniger. Ein Klassenwechsel bedeutet vielleicht Entlastung für das Opfer, ist aber in jedem Fall auch ein Prestigeverlust („hat die Klasse/Schule wechseln müssen!“).

Definition: „Von Mobbing wird dann gesprochen, wenn eine Person wiederholt und über einen längeren Zeitraum hinweg negativen Handlungen einer/eines Einzelnen oder einer Gruppe ausgesetzt ist, mit dem Ziel, diese Person langfristig sozial auszugrenzen. Mobbing ist gekennzeichnet durch systematisch durchgeführte Kränkungen, Demütigungen, Drohungen oder sexuelle Belästigungen. Die Situation zeichnet sich durch ein Macht-Ungleichgewicht zwischen Opfer und TäterInnen aus. Die Handlungen werden von den TäterInnen bagatellisiert und geschehen im Verborgenen. Daher ist Mobbing für LehrerInnen und Eltern oft schwer zu erkennen“ (vgl. Olweus 2006).

Mobbingopfer kann jede und jeder werden, weil jeder Mensch individuelle Eigenschaften hat, die ihn von anderen unterscheiden: Intelligenz, Nationalität, Haarfarbe, Größe, körperliche Statur, Familienverhältnisse, Brille, Hobby, Lernerfolg….. alles kann für Ausgrenzung und Spott herangezogen werden.
Mobbingbetroffene machen sich häufig selbst dafür verantwortlich, dass sie Opfer geworden sind („weil ich halt dick bin und daher nicht gut im Sport bin“) – und suchen sich keine Unterstützung/Hilfe sondern glauben, damit allein fertig werden zu müssen. Dies führt aber in die Isolation.

Eltern aufgepasst – hier wird gemobbt!

Mobbing muss in Betracht gezogen werden wenn Kinder/Jugendliche nicht mehr in die Schule gehen wollen, in die Schule gefahren werden bzw. abgeholt werden wollen, erst kurz vor Unterrichtsbeginn die Klasse betreten wollen, auf Ausflüge, Schikurse, Wandertage nicht mitfahren wollen, Taschengeld verschwindet (Erpressung!), Hefte, Bücher, Federpennale zerrissen oder zerstört werden, Füllfedern, Stifte, Zirkel und Lineale beschädigt bzw. zerbrochen sind bzw. gänzlich verschwinden, T-Shirts und Jacken zerrissen sind bzw. verschwinden oder Turnsackerl samt Inhalt nicht mehr auffindbar ist bzw. Hausschuhe fehlen.
Mobbingopfer trauen sich in den meisten Fällen nicht zu Hause zu berichten, was in der Schule passiert, weil sie glauben, dass durch die Intervention der Eltern in der Schule die Angriffe schlimmer werden und noch zusätzliche verbale Attacken seitens der Mobberin/des Mobbers dazukommen („hat das Baby seine Mami zur Lehrerin geschickt, weil es sich allein nicht helfen kann?!“). Durch das Nicht-erklären-können zu Hause, wo die Schulsachen hingekommen sind bzw. warum die Schulsachen oder die Kleidungsstücke kaputt gegangen sind, kommt es für das Mobbingopfer jedoch zu einer zweiten negativen Konsequenz: es wird auch von den Eltern gescholten und vielleicht sogar bestraft („wenn du auf deine Sachen nicht aufpasst, dann kaufst du den neuen Zirkel von deinem Taschengeld“).

TIP:
Führen Sie ein Mobbing-Tagebuch! Tragen Sie mit Datum ein, wann was geschehen ist, wer was getan hat, welche Konsequenzen das für Sie/Ihr Kind hatte. Damit haben sie genaue und lückenlose Aufzeichnungen sowie eine gesicherte Beweislage, wenn Sie sich an die Schule/an eine Hilfseinrichtung wenden. Nur aus dem Gedächtnis heraus weiß man nach ein paar Wochen oft nicht mehr genau, wann wer was getan hat bzw. wann etwas passiert ist.

Langfristig können Mobbingattacken zu Konzentrationsschwierigkeiten mit verbundenem Leistungsrückgang führen, das Selbstvertrauen des Kindes/des Jugendlichen wird immer geringer, sozialer Rückzug, Bauchschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen samt Albträumen können sich einstellen. Sogar Depressionen und Suizidgedanken können durch Mobbing ausgelöst werden. Damit ist ganz klar, dass Mobbing kein lustiges Spiel ist sondern eine gesundheitsschädigende und lebensgefährdende kriminelle Tat!

TäterInnen sind sich häufig nicht bewusst, welche Auswirkungen ihre Mobbinghandlungen haben, da die Rückmeldungen der Opfer fehlen. Sie mobben andere MitschülerInnen, weil sie die Erfahrung machen, dass sie dadurch Macht und Ansehen in der Klasse erhalten oder damit Dienstleistungen bzw. materielle Güter einfordern können (z.B. abschreiben dürfen, Geld erpressen, etc.). Es können aber auch Motive wie Neid, mangelndes Selbstwertgefühl, Überforderung, Konkurrenz oder Fremdenfeindlichkeit ausschlaggebend für Mobbinghandlungen sein.

Gruppendynamik bei Mobbing – es gibt viele MitspielerInnen …….

Eltern und LehrerInnen müssen sich auch im Klaren darüber sein, dass Mobbing niemals eine Angelegenheit zwischen TäterIn und Opfer ist, sondern alle KlassenkameradInnen „mitspielen“. Im Rahmen der Gruppendynamik gibt es unterschiedliche „Rollen“: AssistentInnen (unterstützen die Täterin/den Täter), MitläuferInnen (sind der Täterin/dem Täter positiv eingestellt und befürworten ihre/seine Taten), ZuschauerInnen/ WegschauerInnen (unterstützen nicht, tun aber auch nichts dagegen), HelferInnen (unterstützen das Opfer durch Trösten oder durch Stoppen der Tat) und EinzelgängerInnen (gehören zu keiner Gruppe, wollen sich nirgends anschließen – sind aber selbst in großer Gefahr zu Opfern zu werden).
Letztendlich haben aber alle Angst: die Täterin/der Täter hat Angst vor einem Machtverlust, daher mobbt sie/er ständig weiter und ist auf die positive Reaktion „seiner“ Gruppe angewiesen, die anderen Gruppenmitglieder haben Angst, selbst gemobbt zu werden, wenn sie ihre Rolle aufgeben.

Wie erkennt die Lehrerin/der Lehrer Mobbing?

Untersuchungen der letzten Jahre zeichnen ein deutliches Bild in Bezug auf Beendigung von Gewalt an Schulen: Olweus (1996) kam zu dem Ergebnis, dass (aus der Sicht der Kinder) in fast der Hälfte der Fälle von Gewalt in Volksschulklassen die LehrerInnen diese nicht beendet und auch nicht thematisiert haben. In Hauptschulen bzw. Unterstufen von AHS lag der Prozentsatz sogar bei 60% der Fälle. Vielleicht auch deshalb, weil sie nicht wussten, dass Gewalt/Mobbing in ihrer Klasse stattfindet? LehrerInnen müssen also zunächst erkennen, dass gemobbt wird und anschließend eine klare Reaktion in Form von „Mobbing wird von mir hier nicht geduldet“ zeigen! Ein wichtiger Punkt um Mobbing überhaupt erkennen zu können, ist, dass sich die Lehrerin/der Lehrer regelmäßig Zeit nimmt, um mit den SchülerInnen über Vorgänge in der Klasse, über Probleme, Wünsche und Anliegen zu reden. Bei diesen Besprechungen erkennen Lehrende sofort, wer viel und wer wenig zu sagen hat bzw. über wen schlecht gesprochen wird, wer lächerlich gemacht wird oder wer überhaupt ignoriert wird. Die Gangaufsicht hilft wenig um Mobbing zu erkennen, denn beim Nähern der Lehrerin/des Lehrers werden die Mobbingaktionen eingestellt. Aufmerksame LehrerInnen wagen einen Blick in den Mülleimer, hier finden sich häufig überraschende Dinge (abgebrochene Bleistifte und Geodreiecke, zerstörte Radierer, herausgerissene Heftseiten bis hin zu ganzen Federpennalen) und sie sollten dies selbstverständlich zum Anlass nehmen zu hinterfragen um wessen Sachen es sich dabei handelt und wie sie in den Mülleimer gelangt sind. Werden diese Fragen jedoch nur vom Kind/vom Jugendlichen beantwortet, dem die kaputten Utensilien gehören und erklärt sie/er, dass sie/er selbst die Sachen kaputt gemacht und weggeschmissen hätte, dann ist auf jeden Fall Mobbing im Spiel!

Interventionen bei Mobbingverdacht auf Klassen-/Schulebene:
Wenn Mobbing bemerkt wird, handelt es sich immer nur um die sogenannte „Spitze des Eisberges“, d.h. es gibt immer mehr verborgene als wahrgenommene Mobbingaktivitäten!

  • Autoritäres Durchgreifen ohne die Situation zu bearbeiten, begünstigt Mobbing! Da aber die eigene Hilflosigkeit häufig zu autoritärem Verhalten führt, sollten LehrerInnen wissen, dass sie Hilfe von außen in Anspruch nehmen können. Die Fachstelle für Gewaltprävention hilft in diesem Falle gerne mit Adressen weiter.
  • LehrerInnen müssen ihre Schutzfunktion, die sie gegenüber den SchülerInnen haben, unbedingt wahrnehmen und dürfen sich weder bewusst noch unbewusst am Mobbing beteiligen!
  • Klare Aussage, dass Mobbing nicht geduldet wird
  • Der Klasse ihre Mitverantwortung klar machen, gemeinsame Lösung aushandeln, positive Aufmerksamkeit für angemessenes Verhalten
  • Das Opfer stärken ohne zu verlangen, dass es sich selbst wehrt
  • Austausch im LehrerInnenkollegium
  • Klassenregeln/Klassenleitbild gemeinsam erarbeiten und einhalten
  • Elternabend einberufen (alle Eltern, siehe „Gruppendynamik“)
  • ExpertInnen beiziehen

Weitere Informationen, Netzwerkadressen und Angebote im Bereich der Gewaltprävention sowie die Broschüren „Gewalt an Kindern“, „Gewalt unter Kindern“ und „Kriterienleitfaden für Angebote im Bereich der schulischen Gewaltpräventionsprojekte“ finden Sie unter

Fachstelle für Gewaltprävention
Landhausplatz 1/Haus 9, 1. Stock
3109 St. Pölten
Homepage: www.gewaltpraevention-noe.at
Email: gewaltpraevention(at)noel.gv.at
Hotline: 02742/9005-9050
Fax: 02742/9005-18113