Gedankensplitter einer Mutter

Es gibt Situationen im Leben, auf die man sich nicht zur Gänze vorbereiten kann. Die Geburt eines Kindes „mit besonderen Bedürfnissen“ ist eine solche.

'Emily Perl Kingsley' beschreibt dies so treffend in ihrer Parabel:
Wenn man ein Baby bekommt, ist es so, als ob man sich auf eine fantastische Reise begibt - nach Italien. Man kauft eine Menge an Touristenführern und macht wundervolle Pläne. Das Kolosseum. Michaelangelo, man lernt bestimmt auch ein paar Wörter auf italienisch. Kurz: es ist eine sehr schöne Zeit. Nach einigen Monaten der Vorbereitung ist es endlich soweit. Du packst deine Koffer. Einige Stunden später, das Flugzeug landet. Die Stewardess kommt und sagt "Willkommen in Holland".

Ich landete irgendwo in Sibirien. Holland kam später. Viel später.
Sibirien.
Was um alles in der Welt sollte ich da?

Du wurdest im Juni geboren. Eine unkomplizierte und rasche Geburt.
Deine orangefarbenen Haare haben dir den Spitznamen „Karottenköpfchen“ beschert. Ich gebe ja zu, nicht ganz so nett wie „Mimimaus“ oder „Prinzesschen“, dafür aber umso treffender.
Du bist unser zweites Kind und die Freude, ein gesundes Mädchen geboren zu haben, war riesengroß.

Bis zur Untersuchung des Kinderarztes schien die Welt noch in Ordnung zu sein.
Von da an war allerdings alles anders.
Alleine der ausgesprochene Verdacht zog mir den Boden unter den Füßen weg.
Das konnte nicht sein.
Das trifft doch immer andere. Andere, die damit besser klar kommen, die damit umzugehen wissen.
Andere, denen man mitleidige Blicke zuwirft und im selben Moment dankbar darüber ist, „davon“ nicht selbst betroffen zu sein.

Dieses Mal nicht.
Du kamst in unsere Familie mit der Diagnose „Down Syndrom“…

Ich gestehe, ich war total überfordert mit dieser Diagnose.
Babys werden jeden Tag geboren. Und jeden Tag strahlt das Herz einer Mutter mit dem Lächeln seines Neugeborenen mit.
Mein Herz konnte nicht strahlen.

Dafür strahlte deines umso heller.

Du musstest operiert werden, nicht sofort, aber bald. Dein Herz hatte zwei Löcher, ein kleines im Vorhof und ein sehr großes zwischen den Hauptkammern.

Wie kann ein so kleines Herz ein so großes Loch haben?
Eine Fülle von medizinischen Fachausdrücken flog mir um die Ohren. Viele Fragen die mich quälten. Viele Fragen, keine Antworten.

Jetzt bist du schon acht Jahre alt.

Viele Höhen und Tiefen liegen hinter uns und so manche - schier unüberwindbare - Hindernisse haben wir zusammen gemeistert.

Ich weiß, du wirst den Anforderungen in unserem Leistungskatalog nicht gerecht werden.

Aber du, meine liebe kleine Maus, mit deiner entwaffnenden Herzlichkeit, bist uns unendlich weit voraus.

Anonym