Wirksame Prävention braucht klare Haltungen - Sensibilisierung statt Tabuisierung

Sensibilisierung statt Tabuisierung

Die sieben wichtigsten Botschaften der Prävention gegen sexuelle Gewalt
Achte auf Deine Gefühle! Es ist wichtig angenehme von unangenehmen Gefühlen unterscheiden zu können und es ist gut darüber zu sprechen.
Es gibt gute Geheimnisse und schlechte Geheimnisse! Belastende Geheimnisse sollen weitererzählt werden.
Dein Körper gehört Dir! Über den eigenen Körper bestimmt jeder Mensch selbst.
Die Grenzen von Berührungen bestimmst Du! Unangenehme Berührungen dürfen und sollen zurückgewiesen werden.
Du darfst NEIN sagen! Respekt voreinander ist wichtig, dazu gehört es auch, den eigenen Wunsch und Willen zu zeigen.
Auch Erwachsene machen Fehler! Die Verantwortung für Gewaltausübung liegt bei den Erwachsenen und niemals ist die Schuld dafür bei Kindern zu suchen.
Du darfst darüber sprechen und Dir Hilfe holen! Das Erzählen von Problemen ist so lange notwendig, bis jemand richtig zuhört und hilft.

Die aktuelle Berichterstattung über Vorfälle psychischer und sexueller sowie körperlicher Gewalt zeigt die Notwendigkeit von Aufklärung und Prävention. Sexualisierte Gewalt findet immer in einem Abhängigkeitsverhältnis statt, deshalb ist es wichtig diese Bedingungen zu ändern, die Verantwortung dafür an die Erwachsenen zu geben und unsere Kinder in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken.
Die möwe bietet daher seit einigen Jahren auch Präventionsprojekte für Schulen an.
Verantwortungsvolle Erwachsene dürfen das Thema nicht wegschieben. Hinschauen und Hinhören sind gefordert. Das Tabu, das Thema „sexuelle Gewalt“ als solche zu benennen, löst sich endlich auf – jetzt müssen wir dafür sensibilisieren und hilfreiche Antworten finden.

Wirksame kind- und altersgerechte Prävention braucht Ressourcen und vertrauensvolle Beziehungen und wir sind davon überzeugt, dass alle Erwachsenen, durch eine gewaltfreie Erziehungshaltung und einschlägige Information sehr viel tun können, um Kinder gut darauf vorzubereiten, wie sie im Fall auf schwierige, missbräuchliche oder auch gefährliche Situationen reagieren können. Langfristig können wir Kinder dadurch besser schützen!

Das Sprechen über sexuelle Gewalterfahrungen fällt Kindern und Jugendlichen so wie Erwachsenen, die früher solche Erlebnisse durchmachen mussten, sehr schwer, weil einerseits das Gebot der Geheimhaltung seitens der TäterInnen, aber auch strukturelle über die gesellschaftliche Tabuisierung aufrecht erhalten wird und andererseits - leider zu Recht - Angst vor den Folgen des Darüber-Sprechens hinderlich wirkt. Kindern wird oft nicht geglaubt, es wird bagatellisiert und es fehlen oft Ausdrucksmöglichkeiten um das Geschehene zu beschreiben.
Doch Kinder senden Signale und es gibt Reaktionen, die Hinweise auf Gewalterfahrungen geben, auch wenn es kein sogenanntes „Missbrauchssyndrom“ gibt.

Mögliche Symptome im Alltag, die auf sexuellen Missbrauch hinweisen:
-) Klammern an Bezugsperson
-) Angst, alleine zu sein
-) Schlafstörungen und Angst alleine zu schlafen
-) plötzliche Verhaltensänderungen
-) Gewichtsschwankungen
-) Änderungen im Hygieneverhalten (z.B. häufiges Waschen)
-) Einnässen und Einkoten
-) Ablehnung von Zärtlichkeiten und Körperkontakt
-)Weglaufen von zu Hause
-) Erzählen sexueller Geschichten oder sexualisierte, nicht altersgemäße Ausdrucksweise und Körperdarstellung

Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch ist es wesentlich nicht in Panik zu verfallen und vorschnell zu reagieren, sondern mit Ruhe und Besonnenheit vor zu gehen. Selbst wenn das Kindeswohl unmittelbar gefährdet ist, bleibt es wichtig die Bedrohung möglichst konkret schildern und erfassen zu können, um auch das richtige Helfersystem (z.B. Spital oder Polizei) zu aktivieren. Überreaktionen und nicht durchdachtes Vorgehen kann zu weiteren Traumatisierungen und zum Weiterschweigen des betroffenen Kindes führen, wodurch eine Beendigung des Missbrauchs oft erschwert wird.

Wichtige zu beachtende Punkte bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch:
-) Zuerst für sich selbst Unterstützung holen, z.B. bei ExpertInnen, in Supervisionen, beim Jugendamt (Jugendwohlfahrtsbehörden) oder bei spezialisierten telefonischen oder online-Beratungsstellen und in Kinderschutzzentren.
-) Versuchen Sie dem Kind als Vertrauensperson zur Verfügung zu stehen.
-) Gedächtnisprotokolle über Aussagen und Verhaltensweisen des Kindes können für die weitere Betreuung des Kindes, aber auch für eine Anzeige und bei Gericht hilfreich sein.
-) Nicht vorschnell Eltern oder mögliche TäterInnen bei Verdacht konfrontieren, insbesondere wenn ein/e mögliche/r TäterIn im engsten Umfeld des Kindes zu vermuten ist! Der Druck des Täters kann dadurch verstärkt werden.
-) Eine polizeiliche Anzeige sollte wohlüberlegt und möglichst nach Beratung durch ExpertInnen bzw. im Rahmen psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung erfolgen.
-) Die Erzählungen des Kindes sollten ernst genommen werden und niemals auch nur andeutungsweise Schuld und Verantwortung für das Geschehene auf das Kind geschoben werden.
-) Nur Versprechungen geben, die auch eingehalten werden können!
-) Beziehen sie das betroffene Kind/den betroffenen Jugendlichen in die Planung weiterer Schritte ein bzw. informieren sie es/ihn, wenn die Notwendigkeit besteht von außen Hilfe bei zu ziehen (z.B. bei einer Meldung an die JWF). Jugendliche sollten dabei möglichst mit entscheiden können.
-) Eine möglichst gut koordinierte Zusammenarbeit, die Wiederherstellung von Kinderschutz und die Vermeidung weiterer Traumatisierung des betroffenen Kindes sollten Ziele des Vorgehens sein.

Zur Verhinderung, dass sexuelle Gewalt in unserer Gesellschaft, ihren Institutionen und im familiären Umfeld weiter vorkommt, brauchen wir alle nicht nur Zivilcourage, sondern auch den Willen und die Verantwortung, die Dinge beim Namen zu nennen und im Sinne des Kinderschutzes gut zusammen zu arbeiten.