Wenn Kinder trauern – Wie man Kinder in ihrer Trauer unterstützen kann

Nach einem Todesfall steht einerseits die Welt still, andererseits gibt es viele Dinge zu erledigen: die Organisation des Begräbnisses, Behördengänge, Erbschaftsverfahren, alle Aufgaben übernehmen, welche die verstorbene Person bisher übernommen hat… Die Liste ist lang und nicht selten werden darüber hinaus die eigene Trauer und jene der Kinder vergessen.

Aber gibt es einen richtigen Zeitpunkt und eine richtige Art zu trauern? – Nein, diese gibt es nicht. Trauer ist individuell, Trauer braucht Zeit, Trauer kann auf die unterschiedlichsten Arten ausgedrückt werden, Trauer begleitet uns ein Leben lang. Das Wichtigste jedoch ist Trauer wahr zu nehmen und ihr Raum zu geben. Lange Zeit waren – und sie sind es auch noch heute - die Themen Tod und Trauer große Tabuthemen, welche oftmals unter den Teppich gekehrt werden. Gleichzeitig ist es für die Hinterbliebenen von großer Wichtigkeit Trauer zuzulassen, die eigenen Gefühle zu benennen und mit jemanden darüber zu reden oder einen anderen Weg zu finden, um sie ausdrücken zu können – das gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Ebenso ist es in Ordnung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch Sie als Erwachsene/r dürfen sich fallen lassen. Wenn Sie lernen, mit Ihrer Trauer und den Veränderungen in Ihrem Leben umgehen zu können, helfen Sie damit auch Ihrem Kind.

Der kleine Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern

Wenn eine Person im nahen Verwandtenkreis stirbt, sind Erwachsene oft verwirrt über die Reaktionen von Kindern. So kann es sein, dass ein Kind in einem Moment weint, da es traurig ist, und im darauffolgenden Moment lacht und spielen möchte. Kinder zeigen ihre Trauer nicht permanent, Kinder trauern „punktuell“. Es handelt sich dabei um eine Art Schutzfunktion, welche Kindern erlaubt in „kleinen Dosen“ zu trauern und so besser damit zurecht zu kommen. Das ist vollkommen in Ordnung. Versuchen Sie das Kind zu verstehen und gönnen Sie ihm diese „Auszeiten“. Nicht selten möchten Erwachsene die Kinder beschützen und geben ihnen z.B. nicht die Möglichkeit sich am Sterbebett von einem geliebten Menschen zu verabschieden. Meist steht die Unsicherheit dahinter nicht zu wissen, wie man die Kinder unterstützen kann und die Angst vor ihren und den eigenen möglichen Reaktionen. 

Ein Kind hat das Recht Fragen zu stellen, ein Recht auf Ehrlichkeit und Unterstützung. Niemand sollte Scheu davor haben die eigenen Gefühle zu zeigen. Kinder lernen dadurch von uns, dass es etwas ganz Normales ist zu weinen und es schön ist über die gemeinsamen Zeiten mit dem/der Verstorbenen zu sprechen. Aber wie kann man Kinder in ihrer Trauerarbeit unterstützen?

Fragen ehrlich beantworten

Fragen zum Tod spiegeln das natürliche Interesse der Kinder an unterschiedlichsten Themen wider. Dazu gehört auch das Interesse daran, was „tot sein“ bedeutet und was mit dem toten Körper passiert. Um die Neugier des Kindes zu stillen muss man nur eines tun: Fragen kurz, einfach und ehrlich beantworten. Es dürfen und sollen dabei auch die Worte „gestorben“ und „tot“ verwendet werden. Wenn jemand davon spricht, dass die Oma „eingeschlafen“ oder „für immer weggegangen“ ist, kann es passieren, dass Kinder Angst davor entwickeln selbst einzuschlafen oder beginnen nach der verstorbenen Person zu suchen. Man kann den Tod erfahrbar machen, indem Schritt für Schritt erklärt wird, was denn „tot sein“ physiologisch bedeutet und wie sich der Körper daraufhin verändert: Der Mensch hört auf zu atmen. Das heißt das Herz hört auf zu schlagen und es wird kein Blut mehr durch den Körper gepumpt. Der Körper wird kalt usw. Auch im Alltag bieten sich immer wieder Anlässe im Vorfeld die Themen Tod und Sterben anzusprechen, beispielsweise wenn bei einem Spaziergang ein toter Vogel gefunden wird oder ein Haustier stirbt.

Kinder ernst nehmen

Egal wie seltsam oder unpassend die Fragen und Vorstellungen und Sorgen eines Kindes erscheinen mögen, es möchte ernst genommen werden. Man darf niemals vergessen, dass ein Kind möglicherweise noch keine Vorstellung davon hat, was „tot sein“ bedeutet. „Tot sein“ heißt, dass der/die Verstorbene niemals wieder zurück kommt und jetzt auch keine Bedürfnisse mehr hat. Gleichzeitig weiß jedoch niemand wirklich, ob es nach dem Tod eines Menschen eine „Welt danach“ gibt.

Sich verabschieden

Hilfreich für Kinder ist es die verstorbene Person noch einmal zu sehen und sich von ihr verabschieden zu dürfen. So haben sie auch die Möglichkeit zu sehen und zu fühlen: Die Person bewegt sich nicht mehr, der Körper fühlt sich kalt an, man fühlt keinen Herzschlag mehr.
Bevor man mit einem Kind an ein Sterbebett tritt oder es zu einem Begräbnis begleitet, sollte man es auf das zu Sehende vorbereiten. Die Entscheidung über die Art des Abschiedes sollte das Kind fällen. Egal ob es den/die Toten berühren, von der Eingangstür aus ein letztes Mal sehen oder sie/ihn mit Blumen schmücken möchte. Wenn ein Kind Angst hat, sollte man es dabei unterstützen die Angst zu verlieren. Manchmal sind die Vorstellungen oder Ängste der Kinder nicht offensichtlich und nachfragen oder darüber reden kann unausgesprochene Fragen auflösen.
Kindern tut es gut aktiv an der Gestaltung eines Abschiedsrituales mitzuwirken, wenn sie das möchten. Wenn ein Elternteil das Gefühl hat, nicht die Kraft zu haben das eigene Kind begleiten zu können, kann eine Vertrauensperson hilfreich sein, welche sich um das Kind (z.B. während eines Begräbnisses) kümmert. Falls ein Kind nicht die Möglichkeit haben sollte am Abschiedsfest teilzunehmen, kann man gemeinsam nach einem anderen Abschiedsritual suchen und es individuell gestalten. 

Schuldgefühle

Kinder, meist im Volksschulalter, leben oft in der Welt der Vorstellungen und Phantasien. Es kann passieren, dass sie einen Streit oder ihr Verhalten vor dem Tod eines geliebten Menschen als Ursache für den Todesfall sehen. In dieser Situation ist es von großem Wert das Kind darauf hinzuweisen, dass niemand Schuld hat. Hilfreich ist es zu erklären, warum bzw. woran der/die Tote gestorben ist, und dass das nichts mit dem Verhalten des Kindes oder einer anderen Person zu tun hat.

Wer sorgt jetzt für mich…?

So banal es klingt, aber Kinder machen sich nach dem Tod einer nahestehenden Person Sorgen darüber, wer die betreffenden Aufgaben der verstorbenen Person jetzt übernimmt. „Wer kocht für mich? Wer bringt mich zum Fußballtraining? Wer sorgt für mich, wenn Papa auch noch stirbt?“ – Kinder fühlen sich sicherer, wenn mit ihnen über anstehende Veränderungen gesprochen wird und sie wissen, wer sich von nun an um sie kümmert bzw. wer ggf. die Aufgaben der Erziehungsberechtigten übernimmt, wenn diesen etwas zustoßen sollte.

Der verstorbenen Person einen Platz geben

Auch wenn das Begräbnis vorbei ist, werden Kinder immer wieder einmal Fragen stellen und über die verstorbene Person sprechen wollen. Gemeinsam kann man (religiöse oder spirituelle) Überlegungen anstellen, wo der/die Verstorbene jetzt sein könnte. Kinder sollen selbst entscheiden dürfen, „wo“ er oder sie jetzt ist.

Sich erinnern

Sich zu erinnern ist eine von vielen Formen der Trauerarbeit. Eine Schatzkiste, in der sich Erinnerungsstücke und Fotos befinden unterstützen dabei. Kinder können sich so verschiedene Erlebnisse auch bildlich zurück ins Gedächtnis holen. Es kann helfen der verstorbenen Person einen örtlichen Platz in der Nähe einzuräumen, welchen das Kind auch alleine aufsuchen kann - beispielsweise in Form einer kleinen „Gedenkstätte“ mit Fotos und Lieblingsgegenständen der/des Verstorbenen. Förderlich ist es Kindern ihre Trauer kreativ gestalten zu lassen. Es gibt dafür unendlich viele Möglichkeiten: eine persönliche Erinnerungskiste basteln, einen Brief an die verstorbene Person schreiben oder ein Bild malen, eine Kerze für den/die Verstorbene  gestalten, einen Wunsch oder Gedanken auf ein Stück Papier schreiben und in einer Schale verbrennen… der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Sehnsucht

Genauso wie wir Erwachsene haben Kinder auch Sehnsucht nach der verstorbenen Person. Ein Lieblingsgegenstand, welcher zuvor der verstorbenen Person gehört hat, kann einem Kind helfen sich ihm/ihr nahe zu fühlen.

Die verstorbene Person wird immer die Person bleiben, die er/sie war

Egal um welches Familienmitglied es sich handelt, die verstorbene Person wird immer der Opa, Vater, Onkel, Bruder, Freund bzw. die Oma, Mutter, Tante, Schwester oder Freundin des Kindes bleiben - niemand kann dessen Platz ersetzen. Wenn beispielsweise die Mutter des Kindes einen neuen Lebenspartner findet, dann wird das Kind einen passenden Platz für diesen neuen Menschen in seinem Leben finden.

Begleitung in Anspruch nehmen

Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man das Gefühl hat alleine nicht zurecht zu kommen, ist vollkommen in Ordnung. Jeder Mensch hat ein Recht auf Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl an Angeboten für trauernde Personen ausgeweitet: es gibt Trauerbegleiter/innen und Trauergruppen für alle Altersgruppen, aber auch zahlreiche Bücher und Veranstaltungen (z.B. Wanderungen, Tanz, Trauercafé etc.). In unterschiedlichsten Formen fordern diese auf, die eigenen Erfahrungen mit Menschen mit ähnlichen Erlebnissen auszutauschen und helfen besser mit der Trauer umgehen zu können.

Sich und anderen Zeit für die Trauer geben und sich Zeit zum Trauern nehmen. Trauen Sie sich Angehörige und Bekannte zu unterstützen und tauchen Sie ein in die Erfahrungswelt der Kinder. Sie erinnern uns daran, dass das Leben lebenswert und voller neuer Entdeckungen ist.

Katharina Katzenbeißer, BA

Pädagogische Mitarbeiterin der Kinderburg Rappottenstein - Die Kinderburg Rappottenstein ist eine Initiative des Österreichischen Roten Kreuzes und der Familie Abensperg und Traun, welche Familien in schwierigen Lebenssituationen aufgrund von Krankheits- oder Todesfällen in der Kernfamilie Raum und Zeit anbietet, um auf der Burg Rappottenstein wieder Kraft für den Alltag zu schöpfen und zu lernen mit den Veränderungen in ihrem Leben umgehen zu können.