Warum Kinder Väter und Väter Kinder brauchen

Immer mehr Väter wollen sich nicht nur auf die Ernährerrolle reduzieren lassen und aktiv an der Entwicklung und Erziehung ihrer Kinder teilhaben. Männerforscher behaupten, Männer könnten ihr volles Potenzial am besten in einer gesunden Balance zwischen Beruf, Familie und Freizeit entfalten.

Auch Männer sind vom Verinbarkeitskonflikt betroffen

Noch nie war die Bereitschaft der jungen Väter so groß, Verantwortung für die Kindererziehung zu übernehmen. Doch Wunsch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen, scheint akrobatischer Leistungen zu bedürfen. Eine vom Land NÖ und der niederösterreichischen Wirtschaftskammer beauftragte Studie (Lehner E., Matkovits S., Leitfaden, NÖ Studie „Elternorientierte Personalpolitik mit Fokus auf Väter“, 2010) zeigt die große Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität : Obwohl 2/3 der befragten Männer Karenz in Anspruch nehmen würden, taten bzw. tun es tatsächlich nur 6 %: Obwohl 3/4 der befragten Männer zugunsten der Familie ihre Arbeitszeit reduzieren würden, tun es de facto nur 7 %. Eine verstärkte Elternorientierung im Arbeitsleben könnte dieses Dilemma verringern.

Auch Väter können den Spagat zwischen Beruf und Familie kaum schaffen.
Ein Vater drückte dieses Dilemma so aus: „Mein Arbeitsplatz verschlingt mich, und wenn ich mich nicht verschlingen lasse, verschlingen sie meinen Arbeitsplatz.“

Kinder brauchen greifbare Väter

Kinder brauchen keinen perfekten oder idealen Vater. Wichtig ist: Kindern Zeit zu widmen, Zuwendung zu geben, Interesse zu zeigen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sie als eigenständige Persönlichkeit zu akzeptieren, ein Vater, der nicht immer dominiert und auch bereit ist, Fehler einzugestehen.
Die Einbindung der Väter in die Erziehung könne gar nicht früh und stark genug sein, betonen die Regensburger Entwicklungspsychologin und Bindungsforscherin Karin Grossmann und der Psychologe Harald Werneck (Werneck, Harald, Aktive Vaterschaft), der auf eine wichtig Erkenntnis der Väterforschung in den 70er-Jahren verweist: Väter sind grundsätzlich in demselben Ausmaß wie Mütter dazu befähigt, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Sie haben dieselben biologischen Voraussetzungen für eine liebevolle und kompetente Eltern-Kind-Interaktion wie Mütter.
„Der Vater hat während der gesamten Entwicklungsphase von Töchtern und Söhnen positive Auswirkungen“, betont der Männerforscher Erich Lehner (Lehner, Erich, aus Artikel „Die Bedeutung aktiver Vaterschaft“, Juni 2009), „ein engagierter Vater kann Eigenschaften wie Empathie, soziale Kompetenz, schulische Leistungsfähigkeit und Problembewältingungsfertigkeiten bei seinen Kindern erheblich steigern.“ Voraussetzung sei, dass Väter mindestens 40 % der alltäglichen Versorgungsarbeit übernehmen. Für die Qualität der Vater-Kind-Beziehung sei nicht nur die bloße Anwesenheit, sondern die Art und Weise, wie er präsent ist, entscheidend.

Engagierte Väter steigern nicht nur das Selbstwertgefühl des Kindes, sie legen auch den Grundstein zu einer positiv verlaufenden Selbst/Sozialisation. Der positive Einfluss von kooperativen Vätern zeige sich auch in späteren Jahren in der Stabilität von Freundschaften und Beziehungen. Kinder mit einer guten Beziehung zu ihrem Vater erleben mehr Lebenszufriedenheit, sind leistungsmotivierter, weniger depressiv und Delinquenz anfällig.

Buben brauchen Väter, um ihre männliche Identität zu entwickeln

Auf dem Weg zur Mann-Werdung brauche der Knabe den Vater als Vorbild und männliches Identifikationsobjekt, um seine Symbiosewünsche mit der Mutter aufgeben zu können. Bei Fehlen einer männlichen Bezugsperson greifen Jugendliche oft auf phantastische Medien-Helden zurück, die fragwürdige Vorbilder abgeben.
Von Bedeutung ist auch die Beziehungsqualität der Eltern: Je mehr die Mutter vom Vater als Partnerin akzeptiert wird, umso leichter kann sie das Kind freigeben. Je mehr sich der Mann in seinem Vaterengagement geschätzt weiß, umso besser wird er seine Vaterrolle erfüllen. Auch das Vaterschaftskonzept der Mutter hat Einfluss auf die praktizierte Ausübung der Vaterrolle (Lehner, Erich, NÖ Studie „Elternorientierte Personalpolitik mit Fokus auf Väter“).

Väter sind wichtige Weichensteller für ihre Töchter

Die Art und Weise, wie Väter mit ihren Töchtern umgehen, beeinflusst deren Selbstwertgefühl, Beziehungsfähigkeit sowie deren Einstellung zum Leben und zum männlichen Geschlecht.

Warum Väter Kinder brauchen

Väter, die die Erziehung ihrer Kinder vernachlässigen, riskieren viel: Die Entwicklung ihrer Kinder „geht an ihnen vorbei“, sie entwickeln wenig Zutrauen zum Vater und bleiben auf Distanz, die später kaum zu überwinden ist.
Väter profitieren vom Umgang mit den eigenen Kindern -. Vatersein macht empathischer und offener, verständnisvoller und verantwortungsbewusster, aktiv und fordert heraus, Vorbild zu sein.“ (Eppel-Gatterbauer E.., Männer/Väter-Befragung, 2010)

Die "neuen" Väter

Was steckt hinter diesem plakativen Begriff?
Die neuen Väter fühlen sich (mit)verantwortlich für die Entwicklung der Kinder und Partnerschaft, engagieren sich familiär und in der Kindererziehung. Sein neues Selbstverständnis lässt mehr Denk- und Verhaltens-Variationen zu. Aktive Väter sind kostbare Mitarbeiter, weil sie über mehr Sozialkompetenz verfügen, wie folgende Zitate bestätigen:
„Durch die Kindererziehung entwickelte sich meine Sozialkompetenz am stärksten. Das hat sich sehr positiv auf meine Führungskompetenz im Job ausgewirkt.“
„Ein aktiver Vater zu sein ist das beste Führungstraining.“
„Es ist besser, die Karriere zu verschieben, als die Beziehungsentwicklung zum Kind zu vernachlässigen. Denn diese Gelegenheit ergibt sich nur einmal und ist nicht nachholbar.“

Warum die Gesellschaft und Wirtschaft aktive Väter braucht

Paul M. Zulehner bezeichnet die Folgen eines fehlenden Vaters als „Übermütterung“ und „Unterväterung“, die häufig zur Ichschwäche des Kindes führt. Deren Symptome - Langeweile und Aggression – sind familial grundgelegt und konsumistisch verstärkt. „Wenn wir so weitermachen, steuern wir auf einen nicht finanzierbaren Polizei- und Therapiestaat zu. Die Polizisten werden wir für die Aggressiven, die Therapeuten für die Gelangweilten brauchen, warnt Zulehner.
Die zentrale Aufgabe der Eltern ist führen, lieben und führen!
Um die Psyche zu bilden, müssen Kinder mindestens zwölf Jahre geführt und geleitet werden.“
Väterliches Engagement wirkt sich auch fördernd auf den familiären Zusammenhalt aus und erhöht die Qualität des familiären Zusammenlebens, resümiert der Männerforscher Lehner.
Eltern, denen die Balance zwischen Beruf und Familie gelingt, sind entlasteter und dadurch leistungsfähiger. Aktive Vaterschaft bedeutet das Trainieren von social skills – wie Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit – jene Qualifikationen, die im Berufs- und Familienleben gleichermaßen gefragt sind. Aktive Väter werden als Mitarbeiter besonders geschätzt, weil sie besonders verantwortungsbewusst, kooperativ und teamfähig sind. Aufgrund eines ausgewogenen Lebenskonzepts leben sie gesünder und sind stabiler – ein Gewinn für alle: die Familie, die Gesellschaft und die Wirtschaft (Lehner E., NÖ Studie „Elternorientierte Personalpolitik mit Fokus auf Väter“).

Warum aktive Väter die Unterstützung von Politik und Wirtschaft brauchen:

Politik und Wirtschaft sind mitverantwortlich für gute Entwicklungsbedingungen unserer Kinder, denn sie bestimmen über familienfreundliche bzw. familienfeindliche Strukturen und Rahmenbedingungen, die Männer zu einem familienorientierten Verhalten motivieren bzw. sie daran hindern. Dass Männer zu einer neuen Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit bereit sind, zeigen österreichische Studien wie z. B. die Männerstudie 2002 (Paul M. Zulehner) und die NÖ Studie „Elternorientierte Personalpolitik mit Fokus auf Väter“. Das Engagement der Väter ist wegen des positiven Einflusses auf die Entwicklung des Selbstbewusstseins, der Zufriedenheit, Beziehungsfähigkeit und Intelligenz ihrer Kinder sehr wichtig. Die Abkehr von der einseitigen Fixierung auf Erwerbsarbeit und mehr Öffnung gegenüber Familie könnte der Schlüssel sein für mehr Lebensqualität der Männer im Sinne von mehr Zufriedenheit, Gesundheit und Ausgeglichenheit.
Eine gelingende Balance von Arbeits- und Familienleben liegt auch im Interesse der Wirtschaft, denn in intakten Familien wachsen starke Persönlichkeiten heran, die die Zukunft unserer Gesellschaft sichern.
Hier ist Elternorientierung (Siehe Leitfaden für Unternehmen „Elternorientierte Personalpolitik mit Fokus auf Väter“, NÖ Landesregierung (hg.) 2010) in der Wirtschaft gefragt. ArbeitgeberInnen sind aufgerufen, die Win-win-Situation zu erkennen, flexible Arbeitszeiten zu bieten und ihren MitarbeiterInnen zu signalisieren, dass elternorientiertes Verhalten auch von Vätern erwünscht ist und unterstützt wird.

Denn Väter brauchen Zeit zum Vatersein.