Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wenn Kinder erkranken

Berufstätige Eltern kommen immer öfter in Bedrängnis, wenn ihre Kinder erkranken und sie zu Hause betreut werden müssen. Einerseits möchten sie natürlich am liebsten selbst beim kranken Kind bleiben und es gesund pflegen, andererseits sind sie am Arbeitsplatz gefordert. Wichtige Termine können manchmal nicht verschoben werden, dem Chef oder den KollegInnen gegenüber können sich manche Eltern allzu viele Fehlzeiten - sei es auch in Form der Pflegefreistellung - einfach "nicht leisten". Wenn in einer Familie mehrere Kinder sind, ist die Pflegefreistellung rasch aufgebraucht. Berufstätige Eltern haben Anspruch auf Pflegefreistellung im Ausmaß einer Woche und für Kinder unter 12 Jahren eine zusätzliche Woche, wenn das Kind neuerlich pflegebedürftig krank wird. Immerhin sind bis zu zehn Infekte bei Kindern im Jahr durchaus normal. Das schlechte Gewissen ist in beiden Fällen vorprogrammiert: sei es dem Chef gegenüber im Fall der längeren Abwesenheit vom Arbeitsplatz, um bei seinem kranken Liebling zu sein; sei es dem Kind gegenüber, im Fall, dass Eltern ihre kleine Schnupfennase dann doch wieder recht rasch in die Schule oder in den Kindergarten schicken.

Dabei warnen KinderärztInnen immer mehr vor dem Ansteckungskreislauf, der auch dadurch hervorgerufen wird, weil Kinder nicht ausreichend Zeit haben, eine Krankheit in Ruhe auszukurieren. Für die so notwendige Rekonvaleszenz bleibt den Kindern oft keine Zeit. Ihr Immunsystem wird weiter geschwächt und sie stehen dem nächsten Infekt noch anfälliger gegenüber. Immer wieder hören wir Rückmeldungen der PädagogInnen in Schule, Hort und Kindergarten, dass erkältete Kinder zu rasch nach der Erkrankung wieder in die Einrichtungen kommen. Dies ist nicht nur für das kränkelnde Kind sehr belastend, es werden auch andere Kinder und PädagogInnen angesteckt. AlleinerzieherInnen und Kinder aus sozial schwächeren Familien haben es in solchen Situationen doppelt schwer, da hier sowohl der finanzielle Hintergrund, als auch das familiäre gut funktionierende Netzwerk schlicht und einfach fehlen. Armut macht (Kinder) krank, bewahrheitet sich auch hier.

Dies muss aber nicht so sein, denn KiB schafft in dieser Situation Abhilfe und organisiert Notfallmamas für die Betreuung erkrankter Kinder zu Hause. Immer wieder werden wir von Eltern gefragt, wie es funktionieren kann, wenn eine Person das Kind betreut, die das Kind zuvor noch nie gesehen hat und noch dazu krank ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei für das Kind, dass es in seiner gewohnten Umgebung ist und sich zu Hause wohl fühlt. Die Notfallmamas kümmern sich in dieser Zeit ausschließlich um das Kind und Kinder schätzen dies. KiB ist bemüht, ein Österreich weites Betreuungsnetz aufzubauen, das für alle Familien leistbar ist. Denn kein Kind soll krank den Kindergarten oder die Schule besuchen. Auch Kinder haben ein „Recht auf Krankenstand“!

KiB hat die Initiative notfallmama ins Leben gerufen und setzt dabei vermehrt auf das Engagement ehrenamtlich tätiger Personen. Die Zusammenarbeit mit Organisationen, Tagesmüttern oder Tagesvätern und Leihomis ist natürlich unverzichtbar. Um das Unterstützungsangebot aber auf Dauer aufrecht zu erhalten, bedarf es auch vieler ehrenamtlich Engagierter. KiB als Familienselbsthilfeverein unterstützt Familien nämlich nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell und ist dabei ausschließlich auf die Mitgliedsbeiträge der Eltern und Spenden angewiesen.

KiB setzt sich für die Rechte der Kinder im Krankenhaus ein.

1986 wurde KiB als Elterninitiative gegründet, um die Mitaufnahme der Eltern als Begleitperson ihrer Kinder im Krankenhaus möglich zu machen. KiB versucht die Umsetzung der zehn Punkte der EACH-Charta in Österreich voranzutreiben. Die EACH -Charta beschreibt die Rechte aller Kinder vor, während und nach einem Krankenhausaufenthalt. KiB vertritt Österreich bei EACH (European Association for Children in Hospital), dem Dachverband gemeinnütziger Organisationen in ganz Europa und legte in den letzten Jahren besonderes Augenmerk auf die ersten drei Punkte der EACH-Charta:

Artikel 1:
Kinder sollen nur dann in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wenn die medizinische Behandlung, die sie benötigen, nicht ebenso gut zu Hause oder in einer Tagesklinik erfolgen kann.

Artikel 2:
Kinder im Krankenhaus haben das Recht, ihre Eltern oder eine andere Bezugsperson jederzeit bei sich zu haben.

Artikel 3
(1) Bei der Aufnahme eines Kindes ins Krankenhaus soll allen Eltern die Mitaufnahme angeboten werden,sie sollen ermutigt und es soll ihnen Hilfe angeboten werden, damit sie beim Kind bleiben können.
(2) Eltern dürfen daraus keine zusätzlichen Kosten oder Einkommenseinbußen entstehen.
Eltern entstehen keine zusätzlichen Kosten, wenn sie bei ihrem Kind bleiben.


Die EACH-Charta ist im Einklang mit den entsprechenden, verbindlichen Rechten, die in der „UN Konvention für die Rechte des Kindes“ vereinbart sind, allen voran:
Artikel 24 der UN Konvention für die Rechte des Kindes (KRK):
Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird.


Werden Artikel 24 der KRK, das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit und die Punkte der EACH-Charta in Österreich gelebt?
Ja und nein!

Ad Artikel 1 der EACH-Charta „Ambulant statt stationär“:
Die mobile kostenfreie Kinderkrankenpflege konnte noch nicht Österreich weit durchgesetzt werden. Es ist jedoch ein großer Erfolg, dass die mobile Kinderkrankenpflege in allen Bundesländern gut installiert ist. Begonnen wurde 1997 in NÖ und in Salzburg, 2001 folgten weitere Bundesländer. KiB war in Kooperation mit den mobilen Kinderkrankenschwestern Österreich weit am Aufbau einer mobilen Kinderkrankenpflege maßgeblich beteiligt und hat in diesem Bereich hohe Kosten für die Familien übernommen. Heute wird die mobile Kinderkrankenpflege von den einzelnen Bundesländern gefördert. Besonders im Rahmen der Frühchen - Nachbetreuung und der postoperativen Betreuung werden Krankenhausaufenthalte maßgeblich verkürzt.

Ad Artikel 2 der EACH-Charta: „Recht des Kindes eine Begleitperson jederzeit bei sich zu haben“
Die Begleitung des Kindes im Krankenhaus ist durch die Aktivitäten von KiB heute nahezu selbstverständlich. Auf Initiative von KiB wurden in allen Bundesländern die Begleitkosten reduziert und 2013 wurde die Pflegefreistellung bei der Begleitung im Krankenhaus gesetzlich verankert. Die Begleitkosten betragen derzeit in NÖ 36,60 Euro pro Tag für Kinder ab einem Jahr. Durch die geringeren Begleitkosten wird eine Begleitung der Kinder auch jenen Eltern erleichtert oder ermöglicht, für die eine Begleitung des Kindes, vor allem bei längeren Krankenhausaufenthalten, aus finanziellen Gründen sonst nicht in Frage käme.

Ad Artikel 3 der EACH-Charta: „Keine zusätzlichen Kosten für Eltern durch die Mitaufnahme“
Es konnte erreicht werden, dass die Begleitung von Kindern unter einem Jahr in allen neun Bundesländern kostenfrei ist, die Begleitung der Kinder bis zu drei Jahren in sieben Bundesländern (außer OÖ und NÖ) kostenfrei ist, und die Begleitung der Kinder bis zu sechs Jahren in drei Bundesländern (Salzburg, Tirol und Vorarlberg) kostenfrei ist. KiB setzt sich für die generelle Abschaffung des Selbstbehaltes für Kinder und Jugendliche im Krankenhaus ein. Hier wurden bis dato nur in Oberösterreich und in Salzburg Ausnahmeregelungen bei Mehrlingsgeburten gesetzlich verankert. Die Selbstbehaltkosten sind in jedem Bundesland unterschiedlich hoch und betragen z.B. 17,90 Euro in NÖ und 20,60 Euro in Vorarlberg pro Tag.

Es gilt noch viel zu tun. Obwohl im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich bereits vieles verbessert wurde, hören wir immer wieder von Eltern, dass sie doch nicht beim Kind im Krankenhaus bleiben konnten. Hier interveniert KiB und wir suchen nach gemeinsamen Lösungen. Auch hören wir, dass Eltern zwar bei der "Pflege des Kindes" als Hilfe willkommen sind, in medizinischen Angelegenheiten ihre Mitsprache und Meinung jedoch oft wenig Beachtung findet, für eine altersentsprechende Information der Kinder und eine  verständliche und ausführliche Information der Eltern bleibt im Spitalsalltag oft wenig Zeit, Kinder werden weiterhin auf Erwachsenenabteilungen aufgenommen, etc. So sind wir auch in den kommenden Jahren gefordert. Wir möchten Familien dahingehend stärken, dass sie ihre Rechte einfordern und gemeinsam mit anderen Eltern und KiB weitere Verbesserungen für alle Familien erreichen.

KiB hat ein offenes Ohr für Eltern in allen Belangen rund ums erkrankte Kind und ist Tag und Nacht unter 0 664 / 6 20 30 40 erreichbar. KiB unterstützt Eltern organisatorisch und finanziell bei der Betreuung ihrer erkrankten Kinder zu Hause und bei einem Krankenhausaufenthalt.

Kontakt:
KiB children care
Verein rund ums erkrankte Kind
Mag. Heidi Eisingerich-Dillenz
Landeskoordination NÖ und Bgld
0 664 / 6 20 30 37
eisingerich.h(at)kib.or.at
www.kib.or.at

Literaturhinweise:
Die Each-Charta und ihre Erläuterungen, 2006