Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Österreich

Jahr für Jahr flüchten tausende Kinder und Jugendliche alleine, ohne ihre Eltern, aus den Krisenregionen in Asien und Afrika und aus Osteuropa. Im Jahr 2009 erreichten 1.182 dieser »unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge« Österreich. Sie erhoffen sich hier eine Perspektive für ihre Zukunft, Frieden, Sicherheit und Schutz vor Verfolgung. Wenn sie Europa erreichen, erleben sie oft herbe Enttäuschungen. Bevor sie endlich ankommen können, müssen sie einen Hindernislauf aus Verdächtigungen, Schikanen und zermürbendem Warten durchmachen.
Das Buch gibt Einblicke in das Leben unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, greift aktuelle Probleme des Asylverfahrens und der Betreuung jugendlicher AsylwerberInnen auf und liefert Anstöße für eine Verbesserung der Situation.

216 Seiten Format 12 x 19, Preis: 17.80 €
ISBN: 975385476-352-9

Im Jahr 2002 gab es 39.954 Menschen, die in Österreich Asyl beantragten, dabei handelte es sich in 3.161 Fällen um UMF. Bis zum Jahr 2010 sanken die Zahlen um etwa 70%. Vom insgesamt 11 ….. Asylanträgen entfielen 934 auf UMF. Die meisten UMF kamen im Jahr 2010 aus Afghanistan (ca 40%), Nigeria (ca 10%), Moldawien und Algerien (jeweils ca 7%).

Zulassungsverfahren

Seit einigen Jahren ist die Zulassung zum Asylverfahren vielleicht der heikelste Punkte für AsylwerberInnen. Im Zulassungsverfahren werden die Jugendlichen nicht genauer nach ihren Fluchtgründen befragt, die Asylbehörden befassen sich zunächst lediglich damit, welches Land nach den Bestimmungen der Dublin-II Verordnung für die Behandlung des Asylverfahrens zuständig ist.

Praxis der Altersfeststellung

Seit 1 Jänner 2010 können Personen die angeben minderjährig zu sein, zur multifaktorellen Altersbegutachtung geschickt werden. Neben rechtlichen und ethischen Bedenken bestehen massive Zweifel an der Brauchbarkeit der vorgesehenen Methoden. Gesetze (FRÄG 2009) und Erlasslage (zuletzt 5.11.2010) stellen klar, dass Altesbegutachtungen nur bei Zweifel an der Minderjährigkeit und nur als „ultimo ratio“ anzuordnen sind. Im Zweifel ist von der Richtigkeit der Angaben des Minderjährigen auszugehen „in dubio pro minore“. In der Praxis werden diese Grundsätze jedoch nicht, oder nur unzureichend, befolgt.

Unterbringung

Im Jahr 2005 gelang es erstmals, allen neu ankommenden UMF in spezielle Betreuungeinrichtungen unterzubringen. Der Rückgang der zum Verfahren zugelassenen SC (aufgrund vermehrter Volljährigkeitserklärungen und gesunkener Antragszahlen) führt zu Auslastungsproblemen in den Unterbringungseinrichtungen.

Obsorge bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Am 19.10.2005 erklärte der Oberste Gerichtshof, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein Obsorgeberechtigter zu bestimmen ist. Heute wird der überwiegenden Mehrzahl der UMF nach der Zulassung zum Asylverfahren ein Obsorgeberechtigter zur Seite gestellt. Es gibt allerdings immer noch Regionen, in denen die Klärung der Obsorge nicht oder nur in Ausnahmefällen erfolgt. In der täglichen Praxis werden die Verpflichtungen der Obsorge bis heute meist nur unzureichend wahrgenommen. Oft kennen die Jugendlichen den Obsorgeberechtigten nicht einmal persönlich.

Bildungssituation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Dem Recht auf Schulbildung für AsylwerberInnen im schulpflichtigen Alter wird in Österreich grundsätzlich entsprochen. Nur wenige UMF sind aber bei ihrer Ankunft in Österreich noch schulpflichtig. Nach Beendigung der Pflichtschule gibt es keine Möglichkeit zu arbeiten oder mit einer Lehre zu beginnen, somit bleibt einzig die schulische Perspektive offen.

Asylverfahren

In den letzten Jahren kam es zu einer deutlichen Beschleunigung der Asylverfahren. Immer mehr Asylverfahren von UMF können nun noch während der Minderjährigkeit rechtskräftig abgeschlossen werden. Damit gewinnen die Themen Rückkehr und Integration nach Anerkennung an Bedeutung.

Asyl und subisdiärer Schutz

Offizielle Statistiken über die Erteilung von subsidiärem Schutz und Asyl bei UMF liegen nicht vor. Eine im Sommer 2010 von der asylkoordination österreich durchgeführte Erhebung im Rahmen des Projekts „Better Integration of Separated Children“ brachte folgende Ergebnisse: Im Jahr 2009 erhielten 142 UMF subsidiären Schutz zugesprochen, in 17 Fällen wurde Asyl gewährt. Die überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen, die im Jahr 2009 subsidiären Schutz erhielten, kam aus Afghanistan (114).

Schubhaft bei Minderjährigen

Immer wieder kommt es zu Schubhaftverhängung bei minderjährigen Fremden. In der Praxis wird bei Minderjährigen zwischen 14 und 16 Jahren wesentlich öfter das gelinder Mittel angewandt (in mehr als 90% der Fälle), bei älteren Minderjährigen kommt es hingegen eher (ca. 2/3) zur Anordnung von Schubhaft.

Minderjährige in Schubhaft 2010
14-16 Jahre: 18
16 – 18 Jahre: 154
Gesamt: 172

Abschiebung von Minderjährigen

Es kam in den letzten Jahren immer wieder zu Abschiebungen von UMF. Laut Innenministerium werden die unbegleiteten Minderjährigen von Kontaktbeamten immer an die Erziehungsberechtigten oder an Jugendwohlfahrtsbehörden übergeben. Der unabhängige Menschenrechtsbeobachter konnte diese Vorgehen jedoch nicht bestätigen.

Mag. Heinz Fronek