Mobbing und Nicht nur für die Schule lernen wir: Gewaltpraevention in der Schule

Gewalt ist derzeit ein sehr aktuelles Thema, wobei allerdings deutlich zwischen tatsächlich auftretenden gewalttätigen Zwischenfällen und der von den Medien angeheizten öffentlichen Diskussion unterschieden werden muss. Am Beginn von Überlegungen sollte stets eine Klärung der Begriffe stehen, d.h. was wird eigentlich unter Gewalt verstanden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gewalt als den absichtlichen Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem Zwang oder Macht gegen eine Person, eine Gruppe oder eine Gemeinschaft, die entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklungen oder Deprivation führt. Dies bedeutet, dass ein wesentlicher Punkt der absichtliche Gebrauch von Gewalt ist. Damit kann also nicht von den Folgen eines Verhaltens (blaue Flecken, blutende Nasen,...) unmittelbar darauf geschlossen werden, dass hier Gewalt im Spiel war, denn es könnte sich um unbeabsichtigte Folgen z.B. im Rahmen von Unfällen handeln.
Gewalt und ihre Folgen sind ein hoch emotionales Thema, und diese emotionale Beteiligung macht eine genaue und objektive Auseinandersetzung mit der Problematik sehr schwer. Allerdings besteht die Gefahr, dass bei ungenauer Analyse der tatsächlichen Vorfälle die Lösungsvorschläge selbst wieder eine Gewaltanwendung darstellen, und damit beginnt oftmals die so genannte Gewaltspirale.
Johan Galtung, der für seine Friedensarbeit unter anderem den Alternativnobelpreis zugesprochen bekam, spricht vom Dreieck der Gewalt. Wie bei einem Eisberg ist nur ein Teil der Gewalt für die Öffentlichkeit deutlich sichtbar, der größere Teil bleibt unter der Oberfläche verborgen. Unter dieser Wahrnehmungsgrenze finden sich die Bereiche der strukturellen und kulturellen Gewalt. Dabei handelt es sich um Gewalt, die in der Kultur einer Gemeinschaft implizit eingebettet ist, wie z.B. der Ausschluss von Teilen dieser Gemeinschaft von der vollen Teilhabe im sozialen Verband, die Verweigerung des gleichen Schutzes für alle oder die Abwertung von Gruppen. Derartige Phänomene stellen die Basis für die so genannte personale Gewalt dar, d.h. die Gewalt, die dann für alle sichtbar wird z.B. in körperlich aggressiven Konfliktlösungen. Die Arbeit an der Oberfläche ist dann oft nicht von Erfolg gekrönt, so lange die tiefer liegenden Aspekte nicht mit berücksichtigt und geklärt werden.

Gewalt in der Schule

Es sei darauf hingewiesen, dass die Schule nicht ein besonders gewalttätiger Lebensbereich der Kinder und Jugendlichen ist, sondern dass sich hier eine Spiegelung von allgemein gesellschaftlichen Entwicklungen wieder findet. Folglich können „schulische Gewaltformen“ in allen sozialen Gemeinschaften, von der Familie bis zur großen Gemeinschaft von Ortschaften und Staaten, vorgefunden werden.

Gewalt kann als

  • körperlicher Zwang und physische Schädigung (Bedrohen mit Schlägen, Androhung von Waffengewalt, Schlagen, Beißen,...)
  • verbale Attacken und psychische Schädigung (Verspotten, Beschimpfen, Anschreien, Verbreiten von Gerüchten, ....)
  • oder in der systematischen Form als Mobbing auftreten.

Schulische Gewaltprävention

Gewalt ist kein österreichisches Problem, sondern es wird weltweit versucht, ihr durch Präventionsprogramme vorzubeugen. Leider gibt es jedoch bei den meisten Maßnahmen nur unzureichende Evaluationen bzw. wird sehr selten überprüft, ob es auch langfristig zu Verhaltensänderungen kommt.

Im Rahmen einer Metastudie des Centers for the Study and Prevention of Violence der Universität Colorado / USA konnten Programme zur Gewaltprävention, die teilweise weltweit durchgeführt wurden, hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit eingeschätzt werden. Dabei wurden einige Programme, die oft von der Öffentlichkeit als sinnvoll gesehen werden, als nicht zielführend und manchmal sogar als schädlich entlarvt.

In diese Kategorie fallen alle jene Programme, die auf Abschreckung basieren, wie etwa Umerziehungslager in der Wildnis, hoch emotionale Besuche im Gefängnis oder Jugendarrest für Bagatelldelikte. Auch wenn die Teilnehmer unmittelbar nach dem Programm angeben, dass sie ab jetzt Gewalt meiden würden, zeigten langfristige Überprüfungen, dass die Rückfallquote bei den Jugendlichen, die am Programm teilnahmen, höher war als in der Kontrollgruppe.
Aber auch Einzelmaßnahmen wie ein einmaliger Besuch von Theatervorstellungen oder Vorträgen zum Thema zeigen keinen langfristigen Erfolg und können sich vor allem dann eher negativ auswirken, wenn durch die Durchführung eines derartigen Programms umfassendere Maßnahmen für die Schule nicht mehr durchgeführt werden.

Als nachhaltig effektiv hat sich dagegen eine Kombination von Organisationsentwicklung in der Schule, Maßnahmen zur Förderung von Kommunikation und Stärkung eindeutiger und anhaltender Normen und der Vermittlung von sozialen Kompetenzen im Bereich der Stressbewältigung und Problemlösung erwiesen.
Damit sich eine Schule auf ein derartig umfangreiches Programm einlassen kann, bedarf es einiger Voraussetzungen:
Zum einen geht es um die Entwicklung von Problembewusstsein, d.h. die verschiedenen Formen von Gewalt müssen an der Schule erkannt werden, zum anderen sollte ein hohes Maß an Betroffenheit gegeben sein, d.h. Lehrkörper und auch Eltern müssen eine Veränderung anstreben.
Es sollte bei aller Befragung von Experten nicht darauf vergessen werden, dass eine möglichst hohe Beteiligung der Kinder und Jugendlichen bei der Programmentwicklung und –einführung einen weiteren wichtigen Faktor für den Erfolg darstellt.

Gewalt entsteht in vielen Fällen aus Konfliktsituationen heraus, wenn einem oder mehreren Konfliktpartnern keine anderen Lösungsstrategien mehr zur Verfügung stehen. Daher ist gerade eine Erweiterung der Kompetenzen im Umgang mit sozial schwierigen Situationen ein wesentlicher Schritt in der Vermeidung von gewalttätigen Eskalationen. Wo können Kinder und Jugendliche derartige Strategien erlernen? Dies kann natürlich in Trainingsprogrammen im schulischen Bereich erfolgen, aber einen Großteil unserer sozialen Kompetenzen erwerben wir alle im alltäglichen Umgang miteinander und aus der Beobachtung von Eltern und anderen für uns wichtigen Personen. So wird der Alltag zum Lernfeld und jeder zum Lehrer und zum Modell für den Umgang mit Konflikten.
Man könnte also sagen, dass wir in unserer Rolle als Vorbild für Kinder und Jugendliche entweder ein Teil des Problems sind, wenn wir unsere Konflikte mit Gewalt lösen, oder ein Teil der Lösung, wenn wir friedliche Wege finden. Wir haben die Wahl!

Vortrag DDr. Richter anlässlich Implementierung der Fachstelle für Gewaltprävention 2009