Kindergarten als Ort des Spielens und Lernens

„Die große Kunst ist, den Kindern alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel zu machen“ (John Locke)

Der Kindergarten ist in den letzten Jahren als oft erste Betreuungseinrichtung außerhalb der Familie immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Diese Aufmerksamkeit entspricht durchaus der Bedeutung dieses Zeitraumes in der Entwicklung und in der Bildungsbiografie jedes Kindes.

Kinder erobern die Welt mit der ihnen angeborenen Neugier. In einem Prozess der aktiven Auseinandersetzung erweitern Kinder stetig ihre Erfahrungen, ihr Wissen über sich und ihre Umwelt - sie machen sich ein Bild von der Welt und den Menschen.
Dass frühkindliches Lernen wichtig ist, wird durch die Erkenntnisse der neueren Gehirnforschungen wesentlich unterstützt, die deutlich machen, dass die Grundfähigkeiten für komplexes Lernen bereits im frühkindlichen Alter gelegt werden.
Die Entwicklung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ist ein steter Prozess der Auseinandersetzung und des Dialoges mit Bezugspersonen und den unmittelbaren Erfahrungen mit der Umwelt. Kinder lernen am meisten und am besten, wenn sie „selbstwirksam“, „selbstbildend“ und „aktiv“ beteiligt sind.

Lernen ist ein aktiver Vorgang. Damit neue Inhalte gelernt und gespeichert werden können, müssen sie vom Kind mit bereits Vorhandenem, Bekanntem verknüpft werden können.
Lernen braucht inneres Beteiligtsein. Lernangebote müssen sich am Interesse des Kindes orientieren. Ohne Aktivierung emotionaler Zentren können keine neuen Erfahrungen verankert werden.
Lernen braucht Aufmerksamkeit. Je intensiver wir uns einer Sache zuwenden, desto aufmerksamer sind wir und desto besser werden Inhalte gespeichert.
Lernen braucht Motivation. Wir lernen, wenn der Neuigkeitsgehalt des Lernenden groß ist. Positive Erfahrungen folgen, wenn das Ergebnis besser ist als wir erwartet haben.
Lernen braucht Wiederholung.

Bei spielenden Kindern sind sämtliche Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen erfüllt - sie sind aktiv, höchst konzentriert, motiviert, stark emotional beteiligt und in ihr Spiel vertieft.
Kinder lernen ganzheitlich – mit allen Sinnen und brauchen als Unterstützung für Lernen und Entwicklung „Umwelten“

  • die Sicherheit und Orientierung bieten
  • die sie zu vielfältigen Erfahrungen herausfordern
  • die Freiräume bieten, um die eigene Kreativität spielerisch zu entdecken
  • in der sie entwicklungsfördernde Strukturen vorfinden - Wertschätzung von Wissbegier und Bildungsinteresse
  • die – jeweils dem Alter und der Entwicklung gemäß - die Möglichkeit bieten, Konflikte selbst lösen zu dürfen und Probleme selbst bewältigen zu können
  • die Anregungen enthalten, um individuelle Interessen zu entwickeln
  • die es ermöglichen, als Individuum und als Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden

Die Grundlage für günstig verlaufende Bildungsprozesse muss immer eine sichere und tragfähige Beziehung zu erwachsenen Bezugspersonen sein. Sie ist Voraussetzung dafür, dass das Kind Neuem gegenüber aufgeschlossen sein kann.

Der Kindergarten nimmt in Zusammenspiel von mitgebrachten Fähigkeiten und Umweltweinflüssen eine wesentliche Rolle ein. Hier werden die Kinder mit ihren Begabungen und Fähigkeiten und mit ihrer ganzen Persönlichkeit wahrgenommen und entsprechend gefördert und in ihrer Entwicklung unterstützt.
Um Kinder die Chance zu bieten, ihre Begabungen zu entfalten und zu verwirklichen bietet der Kindergarten ein breites Spektrum an Bildungsangeboten und Lernerfahrungen mit reichhaltigen und vielfältigen Materialien.

Bei der Gestaltung von Lern- und Bildungsangeboten im Kindergarten wird auf individuelle Begabungen, Stärken und Interessen eingegangen und es werden Bildungsinhalte zur Verfügung gestellt in den Bildungsbereichen

  • Emotionen und soziale Beziehungen
  • Ethik und Gesellschaft
  • Sprache und Kommunikation
  • Bewegung und Gesundheit
  • Ästhetik und Gestaltung
  • Natur und Technik

Ein grundlegendes Ziel in der pädagogischen Arbeit im Kindergarten ist es, eine Atmosphäre der Lebendigkeit, des Wohlbefindens, der Toleranz und der Wertschätzung zu schaffen als Basis für alle Lern- und Bildungsprozesse.

Um ihre Persönlichkeit und damit ihre Fähigkeiten und Begabungen entfalten zu können, brauchen Kinder

  • verlässliche Beziehungen und Menschen, die sie in ihrer Individualität anerkennen, die mit ihnen in Beziehung treten und sie unterstützen
  • Entwicklungsräume – einerseits reale Räume, andererseits Regeln, Rituale, Grenzen, die Orientierung, Klarheit, Struktur und Sicherheit vermitteln
  • Zeit, um im individuellen Tempo zu entdecken, zu lernen, zu wiederholen, Erfahrungen zu sammeln
  • Zeit für Fragen und Antworten
  • die Möglichkeit, sich mit ihren individuellen Unterschiedlichkeiten als vollwertiger Teil der Gruppe zu erleben, ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit zu erfahren und Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten zu erleben und zu entwickeln
  • Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des pädagogischen Alltag, je gezielter Mitwirkung der Kinder möglich ist, umso zielsicherer kann Förderung stattfinden
  • soziales Miteinander – erleben, dass das Individuum Teil einer Gemeinschaft ist

Der Kindergarten bietet in Kooperation mit den Eltern und als Ergänzung zur familiären Erziehung Lebens-, Lern- und Begegnungsräume als Grundlage und Unterstützung für das Heranreifen verantwortungsvoller Erwachsener, die ihre Stärken kennen und damit einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl und zur dynamischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.

Dr. Renate Steger, Abt. Kindergärten

Lit.: Bildungsplan für Kindergärten in Niederösterreich. Siehe auch www.noe.gv.at/kindergarten
Eva Stundner/Christa Schrammel, Der Kindergarten. Ein Ort, um Begabungen zu entdecken und zu entfalten. In: Talenteförderung. Hrsg. NÖ Landesakademie, 2010