Die Volksanwaltschaft als Kinderschützerin

Die Volksawaltschaft ist eine Beschwerde-Einrichtung für alle, besonders auch für junge Menschen und ihre Sorgen. Seit 5 Jahren ist sie eine durch das OPCAT-Protokoll besonders verpflichtete Menschen- und Kinderschützerin und kommt dieser Aufgabe mit großem Einsatz nach. Ausgewählte Themen und Fälle geben dafür ein Beispiel.

6000 Kinder in der Justiz-Datenspeicherung

Der Fall eines Buben hat mich sehr beschäftigt. Dieser 6-Jährige hat in der Schule während eines „Wutausbruchs“ eine Lehrerin verletzt, welche Anzeige wegen Körperverletzung erstattete. So kam es zu einem Ermittlungsverfahren, von dem die Eltern erst über die Einstellung (wegen Strafunmündigkeit des Sohnes) desselben erfuhren. Weder wurden sie von der Einleitung des Verfahrens verständigt, noch seitens der Kriminalbeamten oder der Staatsanwaltschaft beigezogen.

Ob eine Straftat überhaupt begangen wurde, ist nicht festgestellt. Jedenfalls liegt die Anzeige vor und Zeugen wurden einvernommen. Der Schüler wurde allerdings gar nicht befragt; Verletzungen nicht objektiviert. Ergänzend ist auch der Kinder- und Jugendhilfeträger und das Pflegschaftsgericht verständigt worden. Die Eltern erhielten umgehend Besuch und „fielen aus allen Wolken“.

Wie mittlerweile bekannt, ist es kein Einzelfall. Nahezu 6000 Fälle von Strafunmündigen wurden 2015 zur Anzeige gebracht. Ein Phänomen, das erst seit kürzerem zu beobachten ist.

Der Schüler und alle anderen Angezeigten scheinen auch in der „Verfahrensautomation Justiz“ auf. Auch wenn es gute Gründe gibt, Daten von Unmündigen zu speichern und den Datenzugriff nach zehn bzw. nach sechzig Jahren zu unterbinden – so wie es das Gesetz vorsieht -, bleibt die Regelung höchst unbefriedigend.

Das BM für Justiz und das BM für Bildung sind gefordert, an einer Verbesserung zu arbeiten - einerseits wie die Rechte der Strafunmündigen besser gewahrt werden können und insbesondere, dass die Erziehungsberechtigten sofort verständigt werden, sollten Anzeigen erstattet werden.

Begutachtungspraxis bei Pflegegeldeinstufungen von Kindern

In den letzten Jahren erfolgte die Pflege-Einstufung von Kindern sehr uneinheitlich. Viele Eltern sahen sich gezwungen, den Klageweg zu beschreiten und waren damit auch erfolgreich: Bei der Beurteilung des Pflegebedarfs Minderjähriger dürfen nämlich keine pauschalierten Werte herangezogen werden, sondern es ist der jeweils individuelle Zeitaufwand für die erforderliche Fremdhilfe zu ermitteln.

Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, hat das BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz im Herbst 2016 zur Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres eine Verordnung erlassen.

Zu betonen ist, dass die in der Verordnung festgelegten Mindest- und Richtwerte nur eine Orientierungshilfe darstellen und zusammen mit dem Pflege-Konsensuspapier (Abschnitt Kinder- und Jugendliche) zur Vereinheitlichung der Begutachtungspraxis führen sollen.

Verfahrensdauer - immer wieder Grund für Beschwerden

Lange Verfahrensdauer in Familienbeihilfen- und Kinderbetreuungsgeld-Angelegenheiten ist immer wieder Gegenstand von Prüfverfahren. Eine lange Wartezeit auf Familienleistungen führt zu Unverständnis der Betroffenen, da diese in ihrer Lebensplanung in der Regel auf die Leistungen angewiesen sind. Sie wird vom zuständigen BM für Familie und Jugend vor allem mit personellen Engpässen bei den Finanzämtern gerechtfertigt.

Da es sich bei der Familienbeihilfe und dem Kinderbetreuungsgeld für die Betroffenen teilweise um existenzsichernde Leistungen handelt, hoffe ich, dass es demnächst zu weiteren Verbesserungen kommt.

Erschwert wird die Situation oft noch durch den Umstand, dass das Gericht mit Anträgen zum Unterhalt eingedeckt wird. Davon sind zumeist die Kindesmutter, aber auch deren Kinder betroffen. Monatelang auf eine gerichtliche Entscheidung und damit in der Praxis auf Geld zum Überleben warten zu müssen, trägt nicht zu einem gedeihlichen Familienleben bei.

Kindermedizinische Versorgung

Die Thematisierung bestehender Defizite in der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist bereits seit Längerem ein zentrales Anliegen der Volksanwaltschaft. Aufgrund von Versorgungsschwierigkeiten und unzumutbaren Wartezeiten für dringend erforderliche Behandlungen für Kinder in Wiener Ambulanzen während der Grippewelle Anfang 2016 hat die Volksanwaltschaft die pädiatrische Grundversorgung in Österreich generell kritisch beleuchtet. Dazu wurden Stellungnahmen des BM für Gesundheit und Frauen und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt.

Aus Sicht der Volksanwaltschaft ist es daher geboten, durch gezielte Maßnahmen die bestehenden Ressourcen im Wege einer Regionalisierung besser zu nutzen und die Nachbesetzung der Kassenplanstellen langfristig zu sichern. Hierfür ist das ambulante Versorgungsangebot in den Krankenanstalten und in den Spitälern abzustimmen und zu vernetzen. Ein Ansatz hierfür wäre auch die Einbeziehung von Pädiaterinnen und Pädiatern in Primary Health Care Centers, die erweiterte Ordinationszeiten an Wochenenden und Feiertagen anbieten sollten.

Unzureichendes Versorgungsangebot in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Im Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, der vom BM für Gesundheit und Frauen im Jänner 2016 veröffentlicht wurde, wird festgestellt, dass sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie – ausgehend von rund 165.000 Behandlungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen in Österreich – strukturelle Defizite im Versorgungsangebot bestehen.

Umgelegt auf den aktuellen Bevölkerungsstand ergibt sich aus dem Österreichischen Strukturplan Gesundheit ein Bettenrichtwert für die Kinder- und Jugendpsychiatrie bundesweit ein Bedarf von 670 bis 1.089 Behandlungsbetten. Derzeit sind es rund 370.

Der Einsatz von Psychopharmaka ist in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Tagesordnung, obwohl viele dieser Medikamente nicht für Minderjährige zugelassen wurden und es daher auch keine standardisierten produktbegleitenden Risikoinformationen der Hersteller gibt. Der Grundsatz „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und Jugendliche keine großen Kinder“ gilt ohne Einschränkung.

In der Volksanwaltschaft haben „Kinderthemen“ und –Beschwerden genauso Platz wie die Sorgen der Erwachsenen. Auch wenn sich junge Menschen (Schülerinnen und Schüler) selbstständig und direkt an die Volksanwaltschaft wenden können, so liegt es an uns, vielfach proaktiv – oft sind es System- und Strukturmängel – tätig zu werden. Kein Bereich ist uns dabei zu klein oder zu groß.