Deutschpflicht in der Pause

In der aktuellen Diskussion um das Thema „Deutschpflicht in der Pause“ kommt ein zentraler Aspekt deutlich zu kurz: Die Frage nach der Meinung der Kinder.
Es passiert leider viel zu oft, dass Kinder und Jugendliche nicht als Expertinnen und Experten für ihr Lebensumfeld anerkannt werden und für sie, statt mit ihnen gemeinsam, geplant, geregelt und gestaltet wird. Wesentlich für eine gelungene Pausengestaltung ist, das Miteinander in der Schule gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern gemäß dem Recht auf Partizipation und Meinungsäußerung (Artikel12 UN-KRK) zu definieren und zu regeln. Die Achtung der Meinung der Kinder und Jugendlichen ist ein Grundprinzip der UN-Kinderrechtskonvention. Auch im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern ist das Recht auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung der Meinung des Kindes (BVG über die Rechte von Kindern, Artikel 4) festgeschrieben.

Die kija Steiermark ist davon überzeugt, dass eine Einigung, die im gemeinsamen Prozess mit Kindern und Jugendlichen erzielt wird, jedenfalls aufgrund des breiteren Konsenses unter Berücksichtigung verschiedenster Sichtweisen nachhaltiger ist. Kinder und Jugendliche fühlen sich für die von ihnen gefundenen Entscheidungen verantwortlich. Zudem werden sie in ihrer demokratischen Handlungskompetenz gestärkt und erfahren Demokratie als wertvolles und schützenswertes Gut. Und ganz nebenbei wird auch noch ein respektvoller Umgang miteinander gefördert und das Machtverhältnis zwischen Einzelnen ausbalanciert.

Der rechtliche Aspekt:

Im Oktober des Vorjahres verwies das Bildungsministerium in einer Stellungnahme darauf, dass das Festlegen von Deutsch als einziger außerhalb des Unterrichts in der Schule zulässiger Sprache bzw. das Verbot einer bestimmten bzw. mehrerer Sprachen im Rahmen von Hausordnungen oder Verhaltensvereinbarungen jedenfalls im Widerspruch zur Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) und zu Art. 1 BVG (Bundesverfassungsgesetz) über die Rechte des Kindes steht und daher unzulässig ist. Somit ist eine Verordnung der Deutschpflicht in Schulen rechtlich nicht gedeckt. Nun sollen Empfehlungen zur Schulsprache Deutsch ausgesprochen werden. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark sähe in der Einführung der Deutschpflicht in den Pausen oder entsprechenden Empfehlungen einige Artikel der UN-Kinderrechtskonvention verletzt – Artikel 2, Artikel 3, Artikel 15, Artikel 16 und weitere.

Zu den Initiativen von Schulen:

In den letzten Jahren gab es immer wieder vereinzelt Initiativen und Forderungen, Deutsch als Sprache in der Schule konkret im Pausenhof zu empfehlen – mit unterschiedlichen Zielen: Reduktion des Konfliktpotenzials, Integration durch Sprache, schnellstmögliches Erlernen der deutschen Sprache und andere. Die Initiativen wurden von Schulen selbst initiiert und basierten mehr oder minder auf Freiwilligkeit. So konnten zum Beispiel an der Berliner Herbert-Hoover-Realschule, wo 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht Deutsch als Muttersprache haben, nach der Einführung der „Deutschpflicht“, die von Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern gemeinsam vereinbart wurden, tatsächlich auch positive Folgen verzeichnet werden. Es gab weniger Konflikte, bessere Noten in Mathematik, höhere Identifikation mit der Schule und sogar ein Anmeldeplus. Diese positiven Auswirkungen sind aber nicht ausschließlich der „Deutschpflicht“ zuzuschreiben, sondern sind auch Resultat anderer Angebote an der Schule wie beispielsweise die Projektgruppe „Darstellendes Spielen“, eine zusätzliche Deutschstunde pro Woche oder korrektes Deutsch im Unterricht. Die Direktorin der Schule erhielt für ihren Einsatz den deutschen Nationalpreis.

Deutsch als gemeinsame Sprache von Schülerinnen und Schülern aus verschiedensten Sprachkulturen kann neben Integration und Identifikation mit einer Gruppe noch Weiteres bewirken: Sie bringt Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Muttersprachen zusammen, ermöglicht ihnen Verständigung und ein Miteinander statt Missverständnisse und Konflikte aufgrund von Sprachdifferenzen. Außerdem ist für manche Schülerinnen und Schüler in der Pause Deutsch zu sprechen die einzige Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen in dieser Sprache zu unterhalten und ihre Sprachkompetenz, die sie unweigerlich im weiteren Leben brauchen, zu erhöhen. Trotz aller Vorteile, die Deutsch als gemeinsame Sprache bringen mag, gibt es auch viele Gefahrenquellen, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Mit der Verpflichtung auf die deutsche Sprache wird bei Schülerinnen und Schülern mit anderem sprachlichen Hintergrund der Eindruck vermittelt, dass ihre Muttersprache wertlos, ja sogar störend sei, stellt auch die Bildungsexpertin Barbara Herzog-Punzenberger fest. Es wird diesen Schülerinnen und Schülern in gewisser Weise auch Gewalt angetan, weil man ihnen mit der Deutschpflicht einen Teil ihrer Persönlichkeit verbietet und sie aufgrund ihrer Sprache diskriminiert werden.

Eine differenzierte Herangehensweise ist also erforderlich. Es gilt Wege zu finden, auch die Mehrsprachigkeit zum Vorteil aller nutzen zu können, denn Diversität bereichert, wenn sie richtig gelebt werden kann. Wenn darüber hinaus Integration mittels verschiedenster Maßnahmen bereits im Unterricht gelingt und als erstrebenswert vermittelt wird, benötigt es für die Pausen eher keine Maßnahmen oder Regelungen.