Aus Buben sollen Männer werden - ja, aber welche Männer?

Wenn „Mann“ ein Beruf wäre, so müssten wir fragen: welche Qualifikationen braucht man dafür und wo kann man diese erwerben? Danach würden sich Interessenten ein Bild machen können und überlegen, ob sie diese Ausbildung starten wollen und ob der Job aussichtsreich, einträglich, vielleicht sogar befriedigend sein wird.

Die Anforderungen wären früher Jahrtausende lang gleich, ändern sich in der Gegenwart aber schon nach wenigen Jahren. Haben früher Jäger, Sammler, Bauer, Handwerker, Händler und Familienoberhaupt als Beschreibungen ausgereicht, so helfen diese Bezeichnungen heute nicht mehr weiter. Kaufmännischer Assistent der Geschäftsleitung oder Lebensabschnittspartner in der zusammengesetzten Familie könnten Beispiele aus der Jetztzeit sein.

Warum sollte sich ein Bub also gezielt überlegen ein Mann zu werden? Ja, biologisch wird er es schon nach einigen Jahren schaffen, aber welcher Mann soll er werden? So einer, wie sein Großvater? Der erzählt davon, wie es früher war und was er damals geschafft hat. Seltener kommt vor, was er nicht geschafft hat… Aber irgendwie kommen keine Handies vor, kein Fernsehprogramm, keine Computerspiele, kurz - die Geschichten helfen nicht für Aufgaben in der Zukunft.
Oder soll er so werden wie sein Vater? Ein großer, kräftiger, sportlicher Typ, der selten zu Hause ist, es gar nicht aushalten kann, wenn Mutter oder gar der Sohn einmal Grund zum Weinen haben und sagt: „Allerweil diese Gefühlsduselei! Ein richtiger Mann (?) braucht so was net!“
Vielleicht soll er ja so werden wie Onkel Manuel? Der ist verständnisvoll, freundlich und hat fast immer Zeit, wenn jemand etwas von ihm braucht. Manchmal, sagt er, kommt er sich aber schon ausgenützt vor, weil umgekehrt, wenn er was braucht, die anderen auf einmal keine Zeit haben.
Also doch lieber so ein Mann, wie in dem Film im Kino: Ein Experte in Selbstverteidigung und vielen Abenteuersportarten und dann hat der in dem Film gleich die Auswahl aus drei supertollen Frauen, die sich richtig um ihn reißen. Er braucht eigentlich nur mit dem Finger schnippen und schon rennen die um die Wette (nein, nicht weg, sondern hin zu ihm). Jeder Satz ein lustiger „Sager“ - Zuschauergelächter wird gleich eingeblendet - Geld spielt keine Rolle, es ist ja genug da, ein Auto - Spezialanfertigung, versteht sich - und dann noch schnell die Welt gerettet, also gut, was machen wir dann am Nachmittag?

Am Ende des Films bleibt eine der drei Frauen beim Helden, aber auch in den zwei Fortsetzungen erfährt der Bub nichts darüber, wie Herr Held und Frau Held(in) den Alltag bewältigen. Müssen Helden Zähne putzen? Müssen Helden auch dreimal zur Führerscheinprüfung antreten? Müssen Frau Held(in) und Herr Held aushandeln, wer welchen Teil der Haushaltsarbeit machen wird - und zwar verlässlich und gerecht aufgeteilt - oder machen das alles irgendwelche guten Geister? Werden Helden Kinder haben, um die sie sich kümmern und zwar nicht erst dann, wenn diese Kinder schon Fußball spielen oder Mountainbike fahren können?

Werden diese Kinder auch mit Fragen und Sorgen zum Vater Held gehen können und wird er ehrlich davon erzählen, dass Zusammenleben mehr ist, als nur die gleiche Adresse haben? Eigentlich - so müsste er ehrlicherweise sagen - klappt das mit dem Zusammenleben nur dann, wenn alle bereit sind, immer wieder neu auszuhandeln, welche Regeln und Verlässlichkeiten gelten sollen. Wenn immer wieder Thema ist, was die Gefühle für einander (liebevolle und aggressive, wertschätzende und abfällige und…) bedeuten, dass man auch Schwächen zeigen darf und wie wir damit umgehen.

Gefühle und wir - also geht es doch auch Buben und Männer an, wenn es um Gefühle geht! Der Umgang mit Gefühlen braucht Lernzeit und Vorbilder, vor allem aber: sich einzugestehen, dass Gefühle nicht so einfach geplant werden können, wie ein Autokauf, und dass es dabei gar nicht immer nur nach (meinem) Wunsch verläuft!

Wenn der Bub nun diese Anforderungen und Beispiele begriffen hat, dann kann er leider nicht sagen: Na gut, dann werd’ ich lieber Oma! Er hat einen Jahre langen Weg vor sich, auf dem er weitere Beispiele erleben wird (Trinker, PC-Spiel-Meister, vielleicht Junkies, ein bis zwei Stiefväter, andere Idole aus Film und Musikwelt, einen Lehrlingsausbildner mit Verständnis für Jugendliche, oder….) und immer wieder etwas für sich „herausklaubt“.

Die Männer, die diese Zeit der eigenen Jugend schon vergessen oder als unerfreulich erlebt haben, sind herzlich eingeladen, darüber nachzudenken, welches Vorbild sie für unseren Buben darstellen. Denn man kann kein „Nichtvorbild“ sein: Wir alle sind Teil der Erlebniswelt von anderen Menschen, Kindern - und daher als Vorbilder wirksam!

Die Männer aber, die jetzt schon wissen, welche Bedeutung sie für ihre und andere Kinder (ja: auch Mädchen brauchen männliche Vorbilder, um sich z.B. vorstellen zu können, was aus den Bartflaumträgern in der Nebenklasse einmal werden könnte) haben, sollten möglichst ehrlich in ihren Erzählungen und Antworten sein. Helden wie im Film sind ja deshalb so perfekt, weil sie eine verpatzte Szene nochmals drehen können. Im wirklichen Leben müssen wir die Konsequenzen der „verpatzten Szene“ selber tragen. Wir haben aber die Chance nachzudenken und aus Erfolgen UND aus Fehlern zu lernen. Fangen wir doch heute gleich damit an.
Die Buben und Mädchen werden es brauchen können.